Herzog August Bibliothek - Wolfenbüttels belesene historische Seite
Eine Bibliothek mit ganz besonderen Werken
Region: Niedersachen
In diesem Bericht wird es geschichtlich-literarisch! In der Herzog August-Bibliothek, die HAB, wie sie kurz genannt wird, lebt ganz viel Geschichte und zahlreiche Geschichten sind zu erzählen.
Den Grundstein legte im 16. Jahrundert durch den Herzog Julius zu Braunschweig-Lüneburg. Er baute seine "Bibliotheca Julia" seit seinem Studium auf, legte eine erste "Liberey-Ordnung" auf damit das offizielle Gründungsdatum fest.
Den legendären Ruf verdankt die Bibliotheca Augusta dem belesenen Fürsten, der von Kindesbeinen an Bücher liebte und sammelte: Herzog August der Jüngere. Über die Jahrhunderte fanden sich Bibliothekare und Geldgeber, die sie ausbauten und heute zu einem Zentrum der Literatur des 17. Jahrhunderts machen. Ganz schön altes Zeug? Stimmt, aber hochinteressantes!
1587 begann es - mit seinem ersten Buch. Ein Schulbuch über die Tugend, das der spätere Herzog August der Jüngere als Achtjähriger in die Hände bekam. Er wurde erst spät Herzog - zum Glück für die Sammlung, die bis dahin ungestört und stetig wachsen konnte und bereits erheblichen Umfang besaß, als er in das Schloss zu Wolfenbüttel einzog.
Er beschäftigte Händler und Agenten in vielen Teilen Europas - zwischenzeitlich trafen achtzig bis hundert Wagenladungen pro Woche (!) ein. Jede Schrift wurde von ihm beachtet, nach seinem eigenen System erfasst und eingeordnet. Die immerhin größte Büchersammlung Europas fand zunächst ihren Platz über seinem Pferdestall - ein eigenes Bibliotheksgebäude gab es nicht. Statt die Bücher in prachtvolle Umschläge zu binden und sie so zur Schau zu stellen, wie es viele Sammlerkollegen taten, investierte Herzig August d.J. lieber in weitere Bücher. Seine pragmatische Art und ökonomisches Denken sorgten dafür, dass die „Schätze“ sehr schlicht und praktisch daherkamen. Dünne Pappdeckel, überzogen mit hellem Pergament - leicht zu säubern und zudem bestens zu beschriften. „Alles mit Bedacht.“ - dieses Motto lebte Herzog August d.J. In allen Bereichen.

Durch sein Interesse an allen Themen brauchte er ein Ordnungssystem, das alles umfasste, ständig erweiterbar war und das Wiederfinden nicht zum Glücksspiel machte. Es entstanden insgesamt zwanziginhaltliche Kategorien, die als Gesamtes den Stand der Zeit nahezu vollständig abbildeten. Auch schätzte er die Vielfalt der Meinungen, weswegen er häufiger Schriften mit oft kontroversen Inhalten, aber einem Thema zugehörig, in einem Band zusammenfasste. Wie gerne hätte ich in einem dieser Bände zu einem Thema gelesen, das uns heute noch oder wieder bewegt, um zu sehen, wie man damals dazu dachte und schrieb! Doch das ist den Mitarbeitern der HAB und anderen Forschenden, die als Gast kommen, vorbehalten …
Eine anekdotische Bezeichnung bildete er für all die Werke, die nicht in die anderen Kategorien passten, die sich der Zuordnung widersetzen. So nannte er sie „Quodlibetica“, die „Widerspenstigen“. Klingt für mich nach einem Begriff, der in einem innigen Zwiegespräch mit den Büchern entstanden ist!
Und wie lassen sich seine Bücher bis heute bestens finden? Die neunzehn Kategorien sind mit einem Nummern- und Buchstabensystem kombiniert, das im Grunde wie eine Adresse funktioniert.
Der Aspekt des Wiederfindens hat große Bedeutung - denn seit der Renaissance galten Bücher, die in einer Bibliothek aufgenommen wurden, als „Medium für die Unsterblichkeit“. Welch gewichtige Beschreibung!
Gewichtig ist auch sein Motto, mit dem er seine Sammlung überschrieb: “Deo et posteritate“, „Gott und der Welt gewidmet“. Verewigt in einem Kupferstich, der uns verrät, wie die Bibliothek damals aussah.
Es folgten Biblithekare wie Gottfried Wilhelm Leibniz und Gotthold Epphraim Lessing. Lessing reiste viel in den Jahren und schrieb in der Zeit in Wolfenbüttel unter anderem sein berühmtes Werk "Nathan der Weise". Sein Wohnhaus, direkt nebenan gelegen, könnt ihr ebenfalls besichtigen. Dort steht ein Modell der Rotunde, dem ersten Bibliotheksgebäude.
Wie ging es weiter? Kriegwirren, teilweise verbunden mit dem Abtransport von Werken, manche kamen zurück. Doch die Sammlung wuchs trotzdem unaufhaltsam weiter. Heute ist sie eine Landesbibliothek und als diese der Öffentlichkeit zugänglich. Und eben Forschungsstätte für Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit.
Heute gehört auch das nebenan gelegene Zeughaus dazu - das spielt in einem weiteren Artikel noch eine wichtige Rolle ...
Und nun lasst uns hineingehen!

Im April, während des Reiseblogger BarCamps, durfte ich das erste Mal die Türen durchschreiten - für eine sehr intensive, aber viiiiiel zu kurze Führung. Für den jetzigen Besuch hat uns die Stadt Wolfenbüttel einen eigenen Guide organisiert - welch feiner Luxus und welch Chance!
Die Dame, die lange Zeit Mitarbeiterin war, hat uns durch die Jahre der Bibliotheksgeschichte geführt - mit sichtlicher Freude an ihren interessierten Besuchern. Und sie gab uns am Ende den entscheidenen Hinweis und Kontakt zu jedem Mitarbeiter, der Spezialist für Bibelblätter ist - eine ganz eigene Geschichte, die ihren Anfang vor einigen Monaten in Nordfriesland nahm … (Link zum Artikel folgt)
Innenansicht der Rotunde
Nachdem der Raum über dem Pferdestall zu klein wurde, entstand - aus Holz - eine Rotunde als Vorläufer des heutigen Steinbaus. Prachtvoll verziert und mit Sicherheit wundervoller Atmosphäre. Aber ein Holzbau hat graviernde Nachteile, wenn man diese in der Nähe von zwei Wasserarmen errichtet und sich das Material mit der Zeit immer mehr Nässe zieht. Immerhin von 1710 für gut 170 Jahre gab es sie, bevor es nach jahrenlangem Hin und Her zum Neubau kam, der heute noch genutzt wrd.
Großer Saal der Bibliothek
Taschen und Jacken weghängen, tief Luft holen - und nur noch Staunen. Samit aufgestelltem Fell! So geht es mir immer an besonderen Orten ... Dieser zentrale Saal war der besondere Wunsch des Direktors, der den Neubau verantwortete. Imposante Säulen, reichen Bilderschmuck an den Wänden - nur anfangs leer. Das hat sich geändert, heute reihen sich die Bücher von groß zu klein etwa sieben Meter hoch an allen vier Wänden.
Uraltes Wissen!
Etwa 40.000 Bände mit etwa 135.000 Titeln aus der Zeit ab dem Mittelalter. Von Flugblättern über dünne Zeitungen bis zu kompletten Büchern. Allein zum Thema Religion, welches etwa 60% des Bestands ausmacht, sind es 40.000 Titel.Aufgereiht sind sie nach der Größe - groß und schwer unten, klein und leicht oben.
Verzierte Buchrücken
Durch das Zusammenfassen in Bänden brauchen diese eine stabile Hülle. Herzog August d.J. verzichtete in den meisten Fällen auf den Prunk des teuren Leders und nutzte Pergament als Einband. Mit der praktischen Eigenschaft, dass es beschreibbar ist. Bei diesen hatte der Bibliothekar Zeit und Muße, sie zusätzlich zu verzieren.
Buch aus dem 16. Jahrhundert
Gut geschützt in Vitrinen liegen im Untergeschoss einige Werke aus. Steht ihr auch - mindestens ein bisschen - ehrfürchtig davor, dass ein Buch so viele Jahre, so viele Wirren und Transporte überstanden hat? Wenn ich an unsere elektronischen Dokumente von heute denke, reicht ja teils schon etwas Regen und es endet ...
Faksimile einer Bibel
Diese Bibel ist eine der ganz alten Handschriften. Weswegen in der Virtrine eine Kopie liegt und das Original sehr gut geschützt in einem Tresor. Dennoch: Beim Betrachten landet ihr direkt in der Geschichte. Damals, weil nur sehr wenige Menschen lesen konnten und das Meiste zudem in Latein verfasst war, reichlich bebildert.
Sortierung der Lettern für den Buchdruck
Nicht nach Alphabet sortiert: Der "Setzkasten" des Buchdruckers richtet sich nach anderen Kriterien. Die Häufigkeit des Vorkommens ergeben Kästchengröße und vor allem auch Positionierung - vergleichabr mit der der Anordnung der Buchstaben auf einer Tastartur.
Vom Papier in den Computer
Kommt euch der Name Zapf bekannt vor? Dann bestimmt von diesem Werk hier!Er hat viele Schriften entwickelt, auch diese mit den vielen Icons, die vor der Smiley-Zeit und ohne Grafikprogramm eine wichtige Neuerung war, um in z.B. dem Programm Word Texte zu bebildern. Ist gefühlt ewig her ... Mir war nicht präsent, dass die Kalligrafie als Kunst die Basis der Computerschriften ist!
Vom Pixel zum elektronisch abbildbaren Buchstaben
Hier ist es Pixel für Pixel zu sehen: Der Buchstabe wird in Kästchen zerlegt, die der Computer wiederum in das gewünschte Zeichen auf dem Bildschrim umsetzen kann. Der Ausdruck dürfte den Nadeldrucker ziemlich gefordert haben ... Heute ist es viel einfacher, die Pixel werden am Bildschirm an die richtige Stelle "geschubst", Kanten automatisch von Programmen geglättet.Was bin ich froh, dass das Tippen hier nicht erfordert, dass ich Pixel arrangieren muss!
Entwurf einer kalligrafischen Schrift
Auch der Entwurf eine Schrift ist nicht "mal eben" erledigt. Wer sich damit beschäftigt, weiß, dass es auf das Gesamtbild ankommt, damit eine Schrift als Zeile oder Text harmonisch wirkt. Schönschreiben in Vollendung! Zierschriften erleben gerade durch das Handlettering ihre Renaissance - wer mag, übt viel und zeichnet von Hand, wer es schneller umsetzen mag, findet viele der Schriten fertig zum Einsatz am Rechner
Kalliegrafie-Werkzeug
Und was braucht ihr für diese Kunstrichtung? Einfachstes Werkzeug ist ein Bleistift (und der Radiergummi dazu), perfekt zum Üben. Mit Tusche und Feder wird es bereits anspruchsvoller, aber auch deutlich variantenreicher. Abgebildet ist hier Reibtusche - die wird mit Wasser angefeuchtet und kann dann verwendet werden. Super für den Transport, da nichts auslaufen kann!Und wer direkt starten mag, bekommt heute Filzstifte mit federartiger Spitze oder Füllhalter mit unterschiedlichen Federn, die Tinte in einer Patrone. Ganz gleich, was ihr einsetzen mögt: Es ist ein wunderbar entspannendes Hobby, solange ihr die zerknüllten Zettel vom Üben ignoriert
Die Stadt Wolfenbüttel hat uns für diesen Bericht einen Guide organisiert und die Bibliothek verzichtete auf den Eintrittspreis. Die beeinflusst die Berichterstattung nicht - sowohl Schaf Paul als auch seine Sekretärin sind Büchernarren und lieben besonders historische Schriften.
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